Die mikroskopische Untersuchung des Urinsediments

Standardisierung

  • Probe: Erster oder zweiter Morgenurin
  • Geschwindigkeit und Zeit der Zentrifugation
    Um ein gleiche Sedimentation aller Proben zu garantieren, ist die empfohlene Zentrifugationszeit 5 Minuten.
    Die empfohlene RCF (relative centrifugal force, angegeben in g, d.h., die Erdbeschleunigungskonstante) ist 400 g. Um für eine bestimmte Zentrifuge die Drehzahl (rpm = revolutions per minute) zu berechnen, benutzt man folgende Formel:
             RCF = 1.118 x 10 –5 x r / (rpm)2 x g
    r = Radius der Zentrifuge in cm vom Zentrum der Spindel bis zum Grund des Röhrchens.
    1.118 x10 –5 = Konstante der Winkelgeschwindigkeit
  • Herstellung des Urinsediments zur mikroskopischen Untersuchung
    Falls Objektträger und Deckgläschen aus Glas verwendet werden, ist die folgende Vorgehensweise zur Untersuchung und Berechnung des Urinsediments empfohlen.
    1. Messen Sie das Volumen des gut durchmischten Urins, der für die Zentrifugation bestimmt ist
    2. Standardisieren Sie die Zentrifugation (Zeit und Geschwindigkeit)
    3. Messen Sie das Volumen des im Röhrchen zurückbelassenen Sediments
    4. Messen Sie die Menge der zum Sediment beigegebenen Färbelösung
    5. Messen Sie die Menge des Sediments, das auf den Objektträger appliziert wurde
    6. Benutzen Sie Standard Deckgläschen (18x18 mm) oder (22x22 mm)
    7. Halten Sie Ihre Befunde bei der Vergrösserung von 400 fest (HPF = High Power Field)
    8. Berechnen Sie und rapportieren Sie die Zellen (Erythrozyten und Leukozyten) pro µL Urin oder pro Gesichtsfeld und andere Element als negativ – oder positive +, ++, +++
  • Ein Beispiel:
    Urinvolumen 10 mL
    Volumen des im Röhrchen zurückbelassenen Sediments 0.5 mL
    Menge der zum Sediment beigegebenen Färbelösung 20 µL
    Menge des Sediments, das auf den Objektträger appliziert wurde 10 µL
    Deckgläschen 18 x18 mm
    Mikroskop: Okular 10, Objektiv 40 HP mit okularem Gesichtsfeld Nummer 22 (Durchmesser des Gesichtsfelds = 22 mm/40 = 0.55 mm)
    Die Flüssigkeitsschicht ist in diesem Fall: 10 / (18 x18) = 0.03086 mm dick
    Das Volumen des HPF ist somit : 0.03086 x π x ( 0.55/2 )2 = 0.007328 mm3 oder µL
    Wegen der 20-fachen Konzentration des Urins und der 4%igen Verdünnung mit der Färbelösung entspricht ein HPF an 0.141 µL des ursprünglichen Urinvolumens.
    Deshalb entspricht die Anzahl (n) Erythrozyten / HPF an (n) Erythrozyten / 0.141 µL Urin. Da 1 / 0.141 = 7.1 ergibt, wird der Einfachheit halber die Anzahl Erythrozyten mit dem Faktor 7 multipliziert.
    In diesem Fall: 4 Erythrozyten /0.141 µL = 4 Erythrozyten x 7 (Faktor) = 28 Erythrozyten /µL Urin.
    Anzahl Ery
    HPF (0.141 µL)
    = Anzahl Ery x 7 (Faktor) = Anzahl Ery
    µL Urin
  • Diese Empfehlungen stammen von den " European Urinalysis Guidelines" ; herausgegeben von der European urinalysis group der European Confederation of Laboratory Medicine- ECLM (15)
  • Beachten Sie: In bestimmten Fällen ist die Urinmenge nicht ausreichend (Kleinkinder). Hier wird die Verdünnung mit physiologischer kochsalzlösung empfohlen. Die Ergebnisse für Zellen oder Zylinder müssen mit der Verdünnungsfaktor multipliziert werden.

Hellfeld-Mikroskopie

Das Urinsediment wird routinemässig mit einem binokularen Hellfeld-Mikroskop untersucht. Diese Art der Mikroskopie ist aber nur beschränkt brauchbar für die Identifizierung verschiedener Erythrozytentypen, Leukozyten, Nierenepithel-Zellen und -Zylindern. Mit Supravital-Färbung ist die Hellfeld-Mikroskopie jedoch als Screening-Methode geeignet, bevor weitergehende, extensivere Untersuchungen vorgenommen werden.
Wir unterscheiden zwei Vergrösserungen als Standard:
1. Okular 10x und Objektiv 10x (LPF = low power field = 100x) und
2. Okular 10x und Objektiv 40x (HPF = high power field = 400x)

Schätzen Sie die Zahl der Zylinder bei 100facher Vergrösserung (LPF) und die Zahl der Eythrozyten, Leukozyten und Nierenepithel-Zellen bei 400facher Vergrösserung (HPF). 20 Gesichtsfelder (HPF) sollten untersucht werden. Das Resultat wird als Mittelwert der gezählten Zellen pro Gesichtsfeld ausgedrückt.

Polarisations- oder Dunkelfeld-Mikroskopie

Die Polarisations- oder Dunkelfeld-Mikroskopie basiert auf dem Phänomen des optischen Anisotropismus. Licht wandert durch isotrope Substanzen unabhängig von der Richtung mit immer gleicher Geschwindigkeit. Bei anisotropen Substanzen hängte die Passagegeschwindigkeit des Lichts von der Richtung ab, in der es unterwegs ist, d.h., die Brechungseigenschaften anisotroper Substanzen (Kristalle, Cholesterinester etc.) hängen von der Richtung des transmittierten Lichtes ab.
Der grosse Vorteil polarisierten Lichts liegt in der Identifizierung doppelbrechender Lipide (Cholesterinester), welche ein bestimmtes Muster, das so genannte "Malteser Kreuz"-Phänomen zeigen.

Phasen-Kontrast-Mikroskopie

Im Vergleich zur Hellfeld-Mikroskopie erlaubt die Phasen-Kontrast-Mikroskopie eine bessere Visualisierung durchsichtiger Partikel mittels Vergrösserung und Übersetzung von Phasenunterschieden in Amplitudenunterschiede, welche das Auge erkennen kann. Phasen-Kontrast-Mikroskopie wird meist als Hilfsmittel für die Identifizierung durchscheinender Elemente des Sediments und anderer Strukturen, die eine Brechungsindex haben, gebraucht. So ist es möglich, die nukleären Strukturen von Nierenepithel-Zellen zu erkennen, die glomerulären von den nicht-glomerulären Erythrozyten zu differenzieren, etc. Die Phasen-Kontrast-Mikroskopie wird für die Urinsediment-Untersuchung als geeigneter angesehen als die Hellfeld-Mikroskopie.